Montag, 27. Dezember 2010

Festspiele Röttingen auf der schiefen Bahn

Mit Andrew Lloyd Webbers Rockoper „Jesus Christ Superstar" wagen sich die Röttinger Festspiele in der kommenden Spielzeit an eine Inszenierung, die hinsichtlich der Bühnentechnik Maßstäbe setzt. Klare Formen und kühler Stahl prägen die Aufbauten. Zur Herausforderung wird das Stück für Schauspieler und Tänzerinnen. Sie müssen auf einer schiefen Ebene agieren.
Erdacht hat sich die Konstruktion Helmut Mühlbacher. Seit 1994 ist der Salzburger als Bühnenbildner für die Röttinger Festspiele tätig, hat den Wandel miterlebt, hin zu immer schwierigeren Effekten. Unter dem Einfluss des Fernsehens verlangt das Publikum auch auf der Festspielbühne in jeder Saison aufs Neue nach originellen Einfällen.
Im Kopf hatte Helmut Mühlbacher die Idee zu seiner neuen Bühne, da waren die letzten Festspiele noch gar nicht zu Ende. Im Laufe der folgenden Monate wurden daraus technische Zeichnungen und kleine Modelle.
Im Herbst hatte er sie dem Röttinger Bürgermeister und den Mitarbeitern des städtischen Bauhofs vorgestellt. Letztere sind es schließlich, die die Pläne in die Tat umsetzen müssen. Acht Wochen lang haben Udo Beil und Wolfgang Bauer immer wieder neben ihrer normalen Arbeit im Bauhof an der Bühnenkonstruktion gearbeitet.
Rund eine Tonne Stahl ist dabei verschweißt und verschraubt worden.
Das Ergebnis steht jetzt in der in der Garage des Bauhofs bereit für die ersten Funktionstests. Helmut Mühlbacher ist aus Salzburg angereist und aus Würzburg der Beleuchtungsmeister des Mainfranken Theaters, Roger Vanoni, der den Röttingern als Berater zur Seite steht.
Vor ihnen steht ein schräges Podest in der Form eines Kreuzes; in der Mitte mit Holzbrettern belegt, die Ränder von verzinkten Rosten eingefasst. Auf dieser abschüssigen Fläche müssen die Schauspieler später einmal agieren. Vor allem Choreografin Heike Lechler nimmt die Konstruktion kritisch unter die Lupe.
Gegen die nüchterne Form seiner Konstruktion setzt der Bühnenbildner technische Effekte. Vor allem die Wirkung von Licht und Schatten dient ihm als Gestaltungsmittel. So soll es auch sein, wenn sich zum Finale des modernen Passionsspiels das aus Gitterrosten gezimmerte Kreuz mit dem gemarterten Jesus aus der Bühne erhebt.
Einen Kranz aus Licht will Helmut Mühlbacher um den Gekreuzigten erstrahlen lassen. Beleuchtungsmeister Roger Vanoni experimentiert dazu mit verschiedenen Leuchtmitteln. Seit Jahren schon steht das Mainfranken Theaters den Röttingern mit Rat und Tat zu Seite. Eine hilfreiche Partnerschaft habe sich da entwickelt, lobt Bürgermeister Martin Umscheid.
Eine gute Stunde dauert es, dann sind die wesentlichen Details besprochen. In ein paar Monaten erst wird Helmut Mühlbacher wieder nach Röttingen kommen.
Stattdessen fährt er in den nächsten Tagen nach Wien, um Festspielleiterin Renate Kastelik und Regisseur Reinwald Kranner über den Fortgang der Arbeiten zu informieren. Bei den Proben muss sich das Ensemble ganz auf die Angaben des Bühnenbildners verlassen. Die echte, schiefe Bühne bekommen auch die Schauspieler erst eine Woche vor der Premiere zu Gesicht.
Das zweite Stück der kommenden Festspiel-Session kommt dafür konventioneller daher. Die „Fledermaus" von Johann Strauss unter der Regie von Renate Kastelik steht neben „Jesus Christ Superstar" auf dem Spielplan. Die Bühne, die Helmut Mühlbacher dazu entworfen hat, kommt mit weniger technischen Finessen zurecht, eher so, wie man sich Wiener Operetten-Herrlichkeit vorstellt.

Keine Kommentare: